Maritim, kontrastreich, innovativ – eine Industriestadt mit sprödem Charme, das ist „Schlicktown“ Wilhelmshaven. Tanja Klindworth, WellBeing- und Travel-Bloggerin, hat ein Aktiv-Wochenende an der Jade verbracht.

Wir lieben Städtetrips. Doch dabei interessieren uns nicht unbedingt die Metropolen dieser Welt. Tatsächlich sind wir lieber in den kleinen noch unbekannten Städten unterwegs. Die sogenannten „Second Cities“  werden auch gern als „Hidden Gems“ bezeichnet, was übersetzt so viel heißt wie „versteckte Schätze“ und genau solche Schätze verbergen sich oft in den vielfach noch unbeachteten Städten in der zweiten und dritten Reihe. Einer dieser „Hidden Gems“ ist auch das niedersächsische Wilhelmshaven mit seiner traumhaft schönen Lage direkt am Jadebusen. Warum eigentlich Wilhelmshaven und nicht Wilhelmshafen?

Die Schreibweise mit „v“ leitet sich von der alten niederdeutschen Schreibweise ab. Urkundlich festgelegt wurde der Name „Wilhelmshaven“ vom Hafenbaudirektor Goeker.

Die Stadt, benannt nach dem ehemaligen Kaiser Wilhelm, vereint echte Kontraste und das nicht nur maritim. Inspiration und großes Vorbild für die Stadtplanung von Wilhelmshaven lieferten die Prachtboulevards Berlins. Der Blick auf die Historie, die sich allgegenwärtig zeigt, ist ebenso interessant wie ein Ausblick auf die Entwicklung der Stadt. Neben Strand und Watt finden sich in Wilhelmshaven auch verschiedene Museen, eindrucksvolle Brücken und idyllische Parkanlagen. Kleine charmante Cafés und eine überraschend kulinarisch-bunte Restaurant-Szene sowie kulturelle Angebote sowohl im „Pumpwerk“ als auch in den Theatern von Wilhelmshaven zeigen authentisch das sich wandelnde Stadtbild.

Unser Familienabenteuer durch Wilhelmshaven startet direkt am Jadebusen. Als Ausgangslage für unsere Entdeckertour haben wir das Atlantic Hotel Wilhelmshaven gewählt. Für uns der ideale Ort, um die Stadt teenagertauglich zu erkunden. Der Hotelbau erinnert an ein Kreuzfahrtschiff. Direkt vor dem Hotel starten zwei unterschiedliche Spazier- oder Wanderwege, um einen ersten erlebnisreichen Rundgang durch Wilhelmshaven zu starten. Variante eins ist der acht Kilometer lange Rundweg um den Banter See. Er führt vorbei am Freibad Klein Wangerooge, durch ein kleines Wäldchen, am Kanalhafen, der Flussseeschwalbenkolonie und an dem Denkmal der Banter Ruine. Im Sommer lohnt auch ein Abstecher in das Banter Fischerdorf direkt am Deich, auf Höhe des Naturfreibades.

Wir entscheiden uns für die rund vier Kilometer lange und für Teenies bestimmt spannendere zweite Variante. Diese führt uns vom Banter See über den Deich und am Südstrand entlang, mit Blick auf den malerischen Jadebusen. Vorbei an den Windwächtern überqueren wir die Kaiser-Wilhelm-Brücke, das Wahrzeichen Wilhelmshavens. Schließlich flanieren wir entlang des Bontekais. Diese Tour bietet viel frische gute Nordseeluft, eindrucksvolle Aussichtspunkte und wunderschöne Fotomotive. Pünktlich zum Sonnenuntergang sind wir zurück am Banter See. An Südstrand und Bontekai finden sich auch einige gastronomische Anbieter: vom Bäcker über Fischbuden und Restaurants bis hin zu Eisdielen. So lässt sich der Spaziergang auch kulinarisch rundum familientauglich genießen. Denn Eis und Kuchen stehen auch bei Jugendlichen zum Glück immer noch hoch im Kurs.

Unseren zweiten Familienabenteuertag in Wilhelmshaven starten wir nach dem Frühstück auf zwei Rädern. Große Freude beim Nachwuchs, denn per E-Bike begeben wir uns mit der „Street-

Art Actionbound” von Wilhelmshaven auf eine interaktive bunte Schatzsuche. Wilhelmshaven ist seit über zehn Jahren Austragungsort für ein internationales StreetArt-Festival. Straßenmaler aus aller Welt kommen einmal im Jahr zusammen, um graue Asphalt- und Betonflächen in gigantische Leinwände zu verwandeln. Doch auch außerhalb des Festivals können, sollen und wollen die fantastischen StreetArt-Kunstwerke in Wilhelmshaven entdeckt und bestaunt werden.

Zur Vorbereitung haben wir die einzelnen Haltepunkte aus der Actionbound in eine Karte übertragen, um die verschiedenen Kunstwerke nacheinander abzuradeln und die gestellten Aufgaben zu lösen. Eifrig legen wir gemeinsam die Routen fest und starten motiviert und gut gelaunt. Die Tour ist durch die gestellten Rätsel nicht nur spannend: Sie bietet auch viel Abwechslung und authentische Einblicke auf das Stadtbild und die Stadtgeschichte. So führt uns der Weg durch besondere Viertel, vorbei an markanten Bauwerken wie dem Werfttor, dem Rathaus, dem Robert-Koch-Haus oder dem Kaiser-Wilhelm-Brunnen am alten Rathausplatz.

Die Strecke verläuft auch über den Südkiez von Wilhelmshaven. Dieser Stadtteil zeigt sich bunt und multikulti und hat seinen ganz eigenen Charme. Hier befinden sich Cafés wie das von Studenten betriebene „Freiblock“, in dem wir uns bei heißen Getränken und einem Stück Apfelkuchen aufgewärmt haben oder auch das englisch angehauchte „Monty‘s Deli Café. Außerdem lohnt der Besuch einiger individueller und kreativer Lädchen in der Rheinstraße, wie der Senfmanufaktur „Senfonie“ sowie der originell-regionalen Soulshine-Fabrik, die mit Industrie-Interior, Upcycling-Design und dem besonderen Vintage- und Siebdruck-Angebot sogar unsere Teenager sehr begeistert hat. Das Projekt Plug & Work von

Dr. Monika Michaelsen und Juliane Heimann unterstützt kreative Gründerideen, die sich in der Südstadt von Wilhelmshaven niederlassen wollen. Potenzielle Gründer können sich mit ihrer Idee bewerben. Hat die Bewerbung Erfolg, wird der Gründer oder die Gründerin nicht nur finanziell unterstützt, sondern auch mit einem individuellen Coaching.

Der Abschluss unserer Fahrradtour führt uns noch einmal in Richtung Südstrand. Wir radeln runter auf die Schleuseninsel im Nassauhafen und statten der Nassaubrücke und der Windsbraut einen Besuch ab. So wie die Brust der Windsbraut aussieht, scheint es Glück zu bringen, sie dort zu berühren. Über die Schleusenstraße erreichen wir schließlich die Alte Mole. Wir halten die Augen offen und schauen ganz genau auf die leichten Wellen im Jadebusen, denn von März bis Juni stehen die Chancen sehr gut, Schweinswale zu erblicken. Doch leider haben wir an diesem Tag kein Glück. Tipp: Die Südküste am Jadebusen in Wilhelmshaven zählt zu den besten Whale-Watching-Plätzen im Weltnaturerbe Wattenmeer. Die meisten Schweinswal-Sichtungen werden im April gemeldet.

Zurück geht unsere Rallye über die maritim anmutende Backstein-Promenade. Dort haben sich zahlreiche gastronomische Betriebe angesiedelt. Daher geht es hier nachmittags auch oft sehr quirlig zu – besonders dann, wenn die Sonne scheint. Alle Außenplätze der Restaurants und Cafés sind besetzt. Wir gönnen uns ein Fischbröchten „auf die Hand“ und danach ist auch noch Platz für ein Eis in der Waffel. Wir nehmen Platz auf der Promenadenmauer mit Blick über den Jadebusen und schlecken voller Genuss unser Eis. Die Promenade am Südstrand ist zu allen Jahreszeiten ein beliebtes Ausflugsziel. Entlang dieser Erlebnismeile liegt auch das Aquarium mit Urzeitmuseum sowie das UNESCO Weltnaturerbe Wattenmeer Besucherzentrum und das Deutsche Marinemuseum. Tipp: Watt´n Erlebnis! Südstrandsafari zu den „Small Five“ (Wattwurm, Herzmuschel, Strandkrabbe, Wattschnecke und Nordseegarnele). In der Saison werden mehrere Termine pro Woche angeboten.

Mit Einbruch der Dunkelheit kommen wir wieder im Hotel an. Gerade pünktlich, um uns frisch zu machen und unser „Watt´n Menü“ zu genießen. Verwendet werden für diese kulinarische Entdeckungsreise hauptsächlich lokale und saisonale Produkte und Spezialitäten der Wattenmeer-Biosphärenregion. Unser Menü startete mit einer Suppe aus rote Bete und gebackener Miesmuschel, gefolgt von ostfriesischer Heidschnucke mit Kartoffelpüree, Schwarzwurzeln und Wirsing. Zum Dessert wurde eine Birnenschnitte und hausgemachtes Hafermilcheis serviert. Angeboten wird das Watt´n Menü immer freitags und samstags im Restaurant Harbour View im Atlantic Hotel Wilhelmshaven.

Unser teenagertaugliches Familienabenteuer in Wilhelmshaven endet mit dem Besuch im Küstenmuseum nur wenige Gehminuten vom Hotel entfernt. Die unkonventionelle Ausstellung des Küstenmuseums gibt Aufschluss über die Entstehung der Küste, zeigt wie man sich vor Sturmfluten schützt und wie die Menschen an der Küste vor 500, 1000 oder gar 2000 Jahren lebten. Natürlich wird auch der legendären Piraterie eine Schaufläche geboten und der Prägung durch die Marine. Das Küstenmuseum lädt ein zum Entdecken und zum Mitmachen und das hat sogar unseren Teenagern sehr gut gefallen.