Bloggerin Tanja Klindworth und ihre Familie entdecken die Vorzüge des langsamen Reisens:
Mit einem gecharterten Hausboot schippern sie über den Ems-Jade-Kanal und erkunden ostfriesische Landschaft und Lebensart vom Wasser aus.
Gemütlich mit dem Hausboot auf einem Fluss dem Sonnenuntergang entgegenschippern – genau so habe ich mir das schon als Kind ausgemalt, nachdem ich Tom Sawyer und Huckleberry Finn gelesen habe.
Mit unserer anstehenden kleinen Reise auf dem Hausboot „Ochtelbur“ geht somit ein echter Kindheitstraum in Erfüllung. Auch wenn unser Hausboot wohl um einiges luxuriöser ausgestattet ist als damals das Floß von Tom und Huck.
Wir parken unser Auto direkt am kleinen Hafen in Aurich. Nach einem kurzen Blick über das Hafenbecken sehen wir auch schon unser Reisegefährt. Die hübsche, blau-weiße „Ochtelbur“ liegt direkt gegenüber am Anleger und spiegelt sich auf dem Wasser im Hafenbecken. Wir sind entzückt und spazieren schnurstracks zum Hausboot. Dort werden wir von Skipper Bernd mit einem herzlichen „Moin“ begrüßt und bekommen auch gleich eine kleine Tour über das nahezu luxuriös ausgestattete Hausboot: Küche, Wohnraum mit Sofa und Esstisch, ein mit Dusche und Toilette bestücktes Bad, gleich zwei kuschelige Schlafkojen und Liegestühle für die Terrasse sorgen sofort für Wohlgefühl. Es folgt eine umfassende Anleitung zur richtigen Bootsführung, die auch die Handhabung technischer Hilfsmittel wie beispielsweise vier Kameras und die Verhaltensregeln auf dem Ems-Jade-Kanal beinhaltet. Im Anschluss dürfen wir gleich unsere Fahrkünste unter Beweis stellen und die gegenüberliegende Hafenseite ansteuern, dort festmachen und unser Gepäck auf das Hausboot schaffen. Beladen geht es dann wieder zurück zum Anleger. Bernd lobt uns. Somit scheinen wir alles richtig gemacht und die erste Hürde gemeistert zu haben.
Wir richten uns gemütlich ein auf der „Ochtelbur“ und sind startklar für unser Hausboot-Abenteuer. Volle Fahrt voraus, heißt bei unserem Gefährt übrigens immerhin sechs bis acht km/h. Daher darf die „Ochtelbur“ auch ohne Sportbootführerschein gechartert und bewegt werden. Erreicht haben wir eine Höchstgeschwindigkeit von knapp drei Knoten.
Das Hausboot „Ochtelbur“
„Die ,Ochtelbur‘ ist aufgrund der besonderen Bauweise, ähnlich eines Katamarans, unsinkbar“, versichert uns Skipper Bernd. Er muss es wissen, denn er hat das Boot 2015 nicht nur erstmalig mit zu Wasser gelassen, sondern war auch maßgeblich am Konzept und der Bauplanung beteiligt. Bis 2020 organisierte Bernd auch das Chartern des Hausbootes, davor hat er sich schon um Bootscharter an der Müritz gekümmert. Mittlerweile ist er im Ruhestand. Er macht für unsere Reise allerdings gern noch einmal eine Ausnahme und übernimmt die Einweisung und die Begleitung einer Etappe.
„Hausboote können in Ostfriesland einige gemietet werden. Doch die meisten davon liegen fest vor Anker. Die ,Ochtelbur‘ ist eines der wenigen Hausboote, mit denen Urlauber wirklich ablegen und den Ems-Jade-Kanal im wahrsten Sinne des Wortes be- und erfahren können“, verrät Skipper Bernd.
Auf dem Kanal durch Ostfriesland
Insgesamt 73 Kilometer Gesamtlänge misst der Ems-Jade-Kanal. Er verbindet seit 1888 Wilhelmshaven mit Emden oder auch anders gesagt, die Ems mit dem Jadebusen. Gebaut wurde der Ems-Jade-Kanal ursprünglich als wichtige Verbindung zur Versorgung der Kaiserlichen Marine, beispielsweise mit Kohle aus dem Ruhrgebiet. Zudem hatte der Kanal eine entwässernde Wirkung und die Landschaft konnte effektiver genutzt werden. Später wurden auch Baumaterial, landwirtschaftliche Produkte oder Torf auf dem Wasserweg befördert.
Heute ist der Ems-Jade-Kanal in erster Linie ein besonderes Wahrzeichen für Ostfriesland, auf dem eher private Boote, Ausflugsschiffe, Freizeitsportler und Aktivurlauber unterwegs sind. Entlang des Ufers führt der Ems-Jade-Kanal-Radweg oder auch der Ems-Jade-Wanderweg durch bezaubernde, urwüchsige Landschaften. Ostfriesland zeigt sich flach, weit und grün, geprägt von Wind und Wasser. Weiße Wölkchen spiegeln sich auf dem Kanal mit dem moorigen Wasser und links und rechts des Kanals zeigen sich saftige Wiesen, Felder und sogar Moore.
Besonders reizvoll ist es natürlich, die Aktivitäten zu kombinieren und per Hausboot kleine idyllische Häfen anzusteuern und von dort mit dem Fahrrad oder in Wanderschuhen die Vielfalt der Region zu erkunden.
Sonnenaufgang über dem Hafen
Unsere erste Nacht auf der „Ochtelbur“ war traumhaft. Die Regentropfen am Abend und in der Nacht haben uns in den Schlaf gesungen und die leichten Wellen sorgten sicherlich dafür, dass wir gut und fest durchschlafen konnten.
Frühmorgens starten wir mit einem guten Frühstück an Bord in den Tag. Noch ist es etwas bewölkt, doch die Sonne versucht, sich schon jetzt durch die Wolkendecke zu kämpfen. Gestärkt machen wir das Boot los und tuckern gemächlich zur ersten Brücke, um den Hafen von Aurich in Richtung Wilhelmshaven zu verlassen.
Klappbrücken und Schleusen
Der Hafenmeister öffnet uns die Hebebrücke und wir schippern gemütlich hindurch. Der leicht moorige Geruch des Wassers vermischt sich mit einem besonderen Duft der üppigen Vegetation, die sich sowohl Back- als auch Steuerbord des Kanals zeigt. Wir atmen die frische Luft tief ein. Fast sind wir allein auf dem Kanal unterwegs. Hin und wieder kreuzen lediglich ein paar Enten unseren Weg und schon nach kurzer Zeit sehen wir sogar einen Eisvogel und etwas später einen einsamen Angler auf einem Steg.
Wir sitzen auf der Terrasse des Hausbootes. Die Hände fest am Steuerrad, erste Sonnenstrahlen und der leichte Fahrtwind kitzeln unsere Nasenspitze. Wir genießen einfach den Moment.
Nach gut zwei Stunden Fahrt kommen wir zur Wiesenser Schleusenbrücke. Unser Hafenmeister in Aurich hat schon bei unserem Start dem Brücken- und Schleusenmeister gemeldet, dass wir auf dem Weg sind und wann wir wohl an diesem Knotenpunkt eintrudeln. Daher öffnet sich die Brücke bereits und gibt den Weg zur Schleuse frei. Kurz macht sich fast so etwas wie Hektik breit und wir verteilen die Aufgaben, um heil durch die Schleuse zu kommen. Die Schotten schließen sich hinter uns und die Schleuse beginnt sich mit Wasser zu füllen. Wir gewinnen an Höhe und schwups öffnet sich auch schon das vordere Tor und entlässt uns in die nächste Fahretappe.
Gut zu wissen:
Entlang des Kanals warten einige historische Schleusenanlagen und Schleusenbrücken. Um die Durchfahrt zu gewährleisten, sollten sich Bootsreisende an die offiziellen Betriebszeiten der Brücken-, Hafen- und Schleusenmeister halten.
Mooräcker so weit das Auge reicht
Nach der Wiesenser Schleuse passieren wir den beliebten Bootsanleger in Wiesens und die Landschaft verändert sich. Die üppige Vegetation der vorangegangenen Etappe weicht Mooräckern und Wiesen, gefolgt von einem Naturschutzgebiet. Genüsslich gondeln wir über den Kanal, mittlerweile strahlt die Sonne mit voller Kraft vom Himmel.
Typisch für die Region serviere ich uns erst einmal einen ordentlichen Ostfriesentee mit Kluntje und Wölkchen, übrigens eine Standardausstattung in der Kombüse der „Ochtelbur“. Wir geben die Sahne in ostfriesischer Tradition gegen den Uhrzeigersinn in die Tasse, um die Zeit anzuhalten. Zum Tee reiche ich niederländisches Gebäck. Die Nähe zum Nachbarland ist in dieser Region spürbar.
Schließlich erreichen wir den kleinen Hafen von Marcardsmoor. Wir legen an und vertreten uns ein wenig die Beine bei einem Spaziergang durch das Dörfchen am Moor. Vorbei geht es an der Kirche und dem Campingplatz und später noch durch den kleinen Baumlehrpfad. Marcardsmoor liegt von Aurich aus ungefähr auf halber Strecke bis zum Endpunkt des Kanals am Jadebusen in Wilhelmshaven.
Moor. Menschen. Tradition.
Um auch genügend Zeit für die Erkundung der Region sowie für herzlich-gelassene Begegnungen mit den Bewohnern links und rechts des Kanals zu erleben, kann man die komplette Strecke von Aurich nach Wilhelmshaven am besten in mindestens zwei Tagesetappen zurücklegen. Auf der Route liegt zum Beispiel Wiesmoor, ein Luftkurort mit Torf- und Siedlungsmuseum, Gartenpark und Ottermeer, während die Gemeinde Friedeburg durch eine Wald-, Wiesen- und Wallheckenlandschaft und mit tollen Wanderwegen überrascht. Die letzte Etappe führt schließlich über den Ostfriesland-Äquator nach Sande mit Schloss Gödens, verschiedenen Museen und gleich fünf Kirchen, bis die Reise auf dieser Seite des Kanals in Wilhelmshaven endet.
Gut zu wissen:
Aurich gilt als Zentrum Ostfrieslands. Der Hafen von Aurich ist somit idealer Ausgangspunkt für eine Reise mit dem Hausboot, und zwar sowohl nach Wilhelmshaven als auch nach Emden.
Kosten?
Eine Woche Charter ab 995 Euro / Kurzcharter 3 Tage ab 650 EUR (als reine Übernachtung ohne Fahrpaket ab 350 Euro)
Wie groß ist die „Ochtelbur“?
Das Hausboot umfasst ca. 28 Quadratmeter Wohnfläche und bietet Platz für bis zu fünf Personen.
Kann ganzjährig gechartert werden?
Die Charter-Saison läuft von April bis Oktober. Von November bis März ist eine Buchung auf Anfrage möglich (aufgrund von Witterung, eingeschränkten Schleusen- und Brückenzeiten, Reparaturen und Renovierungsarbeiten).
Kann der Skipper die Reise auch komplett begleiten? Möglich ist das zum Preis ab 250 Euro pro Tag.
hausboot-urlaub-ostfriesland.de