Sie zählen zu den ältesten Pferderassen Europas:
Friesen gehören zum Norden wie die schwarzbunten Kühe. Gerd Kelterborn vom Familienhotel und Pferdehof „Frieslandstern“ im Wangerland züchtet und reitet sie nicht nur, sondern spannt sie auch gern vor seine Kutsche. Reisebloggern Andrea Lammert hat mit ihm eine Ausfahrt zum Strand unternommen – ein märchenhaftes Erlebnis.
Wenn er durch Horumersiel fährt, klappern die Hufe und alle Köpfe drehen sich nach ihm um. Es ist schon eine stattliche Erscheinung, die durch den Ort rauscht: Zwei schwarze, stolze Pferde mit langen, wehenden Mähnen und ein ebenso stattlicher und stolzer Kutscher. „Moin“, ruft Gerd Kelterborn mal nach rechts, mal nach links, denn er kennt fast jeden im Ort. Während so mancher Gast dem Gespann sehnsuchtsvoll nachschaut, habe ich das große Glück, neben dem Kutscher auf dem Bock zu sitzen und mich zum Strand schaukeln zu lassen. Es ruckelt und zuckelt leicht und das Klappern der Hufe „ist die schönste Musik der Welt“, schwärmt Gerd Kelterborn. Mit den Zügeln fest in der Hand steuert er auf den Deich bei Schillig zu. Für ihn gibt es kaum etwas Schöneres, als Zeit mit den Pferden zu verbringen. Seitdem er denken kann, bestimmen Pferde seinen Tag. Sein Beruf ist für viele Mädchen ein Traum, denn er ist nicht nur Pferdewirtschaftsmeister, sondern auch professioneller Bereiter. Das heißt, im Sattel sitzen ist sein Leben. Doch er sitzt längst nicht nur im Sattel, sondern hat auch die Kutschfahrerausbildung.
Während er früher Ritte zum Sandstrand nach Schillig geleitet hat und bis an die Wattkante mit dem Pferd geritten ist, hat der 73-Jährige sich inzwischen auf Kutschfahrten spezialisiert. Ob im Landauer oder in der cremeweißen Kutsche mit der roten Samtausstattung – elegant wird es in jedem Fall, wenn Gerd Kelterborn seine Finger im Spiel hat. Oft setzt er seinen Zylinder auf, schmeißt sich so richtig in Schale und fährt als Hochzeitskutsche vor. Für viele Paare das Sahnehäubchen ihrer Feier.
Mit seinen Kutschfahrten macht er nicht nur Hochzeitspaaren eine Freude, sondern gibt Geburtstagen oder anderen Feiern einen romantischen Akzent. Und auch den Planwagen spannt er an – Hauptsache draußen, Hauptsache Pferde. Früher war Strandreiten sein Ein und Alles. Aber: „Das ist mit den Bestimmungen immer schwieriger geworden, im Watt zu reiten, deswegen gibt es Reiten jetzt nur noch hinter dem Deich und bei uns auf dem Pferdehof.“ Gemeinsam mit seiner Frau Ute Eden leitet er den „Frieslandstern“. Eine alte Molkerei, die zum Familienhotel und Pferdehof umgewandelt wurde. Immerhin 35 000 Quadratmeter umfasst das Anwesen, das die alte Molkerei inzwischen umgibt.
Im dortigen Frühstücksraum sitzen Eltern morgens bei Croissant und Kaffee, nebenan scharren die Ponys und Pferde im Stall schon mit den Hufen und die Kinder ebenso, denn nach dem Frühstück beginnt der Reitbetrieb. Es gleicht einem Wimmelbild, überall schwirren Kinder herum, zwischendurch wuseln Väter und Söhne auf Gokarts durch die Gegend. Hier wird gefachsimpelt über das Longieren und welches der 35 Pferde das süßeste ist. Für Gerd Kelterborn ist Letzteres gar keine Frage: Seine beiden Friesen „Hessel“ und „Marieke“ sind die besten im Stall. Mitten in dem Gewusel hat er in aller Ruhe seine beiden Prachtexemplare von Friesenpferden fertig gemacht, sie über den Hof geführt, angespannt und nun ziehen sie freudig unsere Kutsche. Bewegung macht den Friesen sichtlich Freude und sie ist auch wichtig, um die Tiere bei Kondition zu halten. Hinter dem Deich blicken wir auf Salzwiesen, dann die Dünen von Schillig. „Festhalten“, sagt Gerd Kelterborn und steuert auf die Grasfläche zu. Seine beiden Pferde hat er voll im Griff, die Kutsche schaukelt etwas mehr als sonst und steuert durch die Dünen auf den Strand zu. Wangerooges Leuchtturm zeigt sich in der Ferne, Minsener Oog ebenso und dazwischen die großen Frachter, die auf die Einfahrt nach Wilhelmshaven warten.
Es sind Momente wie diese, die man ganz tief einsaugen muss, für das eigene Poesiealbum im Kopf. Kein Foto kann dieses Gefühl festhalten, was es bedeutet, auf der Kutsche hier am Strand zu thronen und in die Ferne zu schauen. Doch auch der schönste Moment ist irgendwann vorbei. Zurück geht es am Deich entlang. Der Blick bleibt fest auf das Watt und die Inseln gerichtet, denn vom erhöhten Sitz der Kutsche ergibt sich ein schöner Panoramablick. Dann überqueren wir den Deich. Fasane streifen durch das Gras, Bussarde stapfen durch die Felder. Die Friesen ziehen uns weiter. Das Seewiefken kommt in unseren Blick. Dort schlägt unsere Tour einen Bogen, denn nun sind wir schon fast wieder zurück am „Frieslandstern“.
Nun wird ausgespannt, die Pferde gefüttert und Gerd dreht noch eine Runde zu seinen vier Hengstfohlen, die ausgelassen auf der Weide toben. Denn neben den Kutschfahren und dem Reiten gehört die Friesenzucht mit zum Berufsfeld von Kelterborn. Er züchtet nicht nur, sondern er bildet die Jungpferde auch aus, mitunter schafft er es mit ihnen auch auf Zuchtshows aufs Siegertreppchen. „Marieke“ hat er damals bei der Friesenshow zur „Kroonstute“ geführt. Ein Titel, den sie ihr Leben lang tragen wird und der als hohe Auszeichnung für diese Rasse gilt. Vielleicht ist es dem Pferd egal, aber der Besitzer blickt sie mit stolzen Augen an.
Warum aber Friesen?
Diese Frage stellt sich eigentlich für einen Pferdemann aus Friesland nicht. Denn die Friesen gehören hierher. Doch Kelterborn hat früher eher Oldenburger gezüchtet. Die Friesen hat er erst mit seiner Frau Ute Eden kennengelernt, die damals den „Frieslandstern“ und das Gestüt besaß. „Friesen sind ganz besondere Pferde“, sagt Kelterborn. „Sie verkörpern Freiheit und Stolz.“ Und sie sind zuverlässig, brav und lassen sich gut reiten. Doch bis dahin ist es ein weiter Weg. Seine Friesen reitet Kelterborn nur selbst. Bei seinen anderen Pferden können Kinder reiten lernen – und Eltern, die es können, dürfen auch auf den Pferderücken. Und wer es nicht kann, der setzt sich eben in die Kutsche und lässt sich verwöhnen. Das ist mindestens genauso schön. Denn dann kann man sich entspannt zurücklehnen und das einmalige Panorama genießen – untermalt vom schönsten Sound der Welt: klappernden Hufen. Ich jedenfalls steige aus der Kutsche mit einem Glücksgefühl, als hätte ich selbst im Sattel gesessen.